Dichtung Drucken
Geschrieben von: Administrator   
Freitag, den 06. Januar 2012 um 14:52 Uhr

Die Dichtung

Wenn Kolbenheyer in seiner Philosophie herausgearbeitet hat, daß wir unseren Parakosmos hauptsächlich über das Gefühl statt nur über den Verstand erfassen, so bestätigt sich das in seiner Dichtung.

Die historischen Romane zeichnen sich nicht nur durch ein hohes Maß an geschichtlicher Detailkenntnis aus, die von Kobenheyer durch jahrelange Archivarbeit und intensives Studium erworben wurde, sondern stellen die handelnden Personen in jener Gefühlslage und mit jenem geistigen Entwicklungszustand dar, in dem sie sich damals tatsächlich befunden haben. Er verwendet in den Dialogen sogar die Sprache, die damals gesprochen wurde. So entstehen eindrucksvolle bewegende Werke, die den Leser unmittelbar berühren. Seine Dichtung wirkt so realistisch, daß Kolbenheyer zu seinen Lebzeiten Anfragen von Lesern bekam: So behauptete jemand, Kolbenheyer hätte in seinem Roman „Meister Joachim Pausewang“ einen Vorfahren des Lesers beschrieben, eine Nonne hatte nach der Lektüre von „Das Gottgelobte Herz“ ihre Verwunderung darüber bekundet, daß sich Kolbenheyer derart in das Seelenleben einer Klosterfrau hineinversetzen kann, denn es berge erschütternde Wahrheit. Ingenieure fragten an, auf welche Erfindung Kolbenheyer in dem Schauspiel „Jagt ihn, ein Mensch!“ anspielt und ob er ihnen gar das vermutete Geheimnis verraten würde.

Kolbenheyer sieht bei der Betrachtung der Geschichte der Menschheit immer wieder krisenhafte Entwicklungsphasen auftreten, er nannte es Schwellen, die es zu überwinden gilt. Er behandelt deshalb diese entscheidenden Entwicklungsphasen in seinen Werken: Die Zeit des Selbstfindens der Deutschen, die Mystik in der Lebensgeschichte der Margarete Ebnerin, die Meister Eckhart begegnet, im Roman „Das gottgelobte Herz“; die Zeit, in der wissenschaftliche Werke erstmals in deutsch statt wie bisher lateinisch geschrieben wurden und die Reformation im Gange war, im „Paracelsus“. Im „Meister Joachim Pausewang“ begegnen wir Jacob Böhme. „Amor Dei“ spielt in Amsterdam, es berichtet von der Emanzipation des Judentums anhand des Schicksals Spinozas.

Die beiden zeitgenössischen Romane „Montsalvasch“ und „Das Lächeln der Penaten“ sind nebenbei eine Würdigung der von Kolbenheyer geliebten Heimatstadt Wien und ihrer Musik. Im „Montsalvasch“ sind die Grundlinien und Wurzeln seiner Philosophie erkennbar, es ist eine Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang, weil die Frau in ihrer Verblendung durch die Zivilisation ihren Weg zum Glück zerschlägt. Das Gegenstück dazu ist „Das Lächeln der Penaten“. Hier wird gezeigt, daß Mann und Frau mit gegenseitigem Beistand in widrigen Zeitläufen erfolgreich glücklich sein können, tiefsinnig - aber gleichzeitig bekommt der Leser erheiternde Einblicke in die Wiener Musikszene, was alles passieren kann, wenn Geld gebraucht wird. Sein satirisches Können hat Kolbenheyer in „Reps, die Persönlichkeit“ bewiesen, gepaart mit Tragik, am Ende weiß der Leser nicht, ob er lachen oder weinen soll, grübeln muß er auf jeden Fall.

Fein, tiefsinnig, vielschichtig wie das Leben selbst sind seine Novellen und Erzählungen, herausragend die „Karlsbader Novelle“ über Goethe und „die Begegnung im Riesengebirge“, auch eine Liebesgeschichte oder die „Wiedergeburt des alten Daringer“, die sich in Wien zuträgt und von einem Mann berichtet, der im Alter eine Befreiung von der religiösen durch eine natürliche Gefühlsorientierung erlebt.

Die Dramen Kolbenheyers wurden mitunter viel später als sie geschrieben wurden, entweder gar nicht erst oder nur in bestimmten Schauspielhäusern, in denen Kolbenheyer zu den Intendanten Vertrauen gefaßt hatte, aufgeführt. „Heroische Leidenschaften“, ein Drama um Giordano Bruno, entstand in erster Fassung schon zu Kolbenheyers Studentenzeit, „Gregor und Heinrich“ hinterlässt einen gewaltigen Eindruck aus der frühmittelalterlichen Zeit der Abnabelung des deutschen vom mediterranen Geist, erfordert eine umfangreiche Besetzung, „Menschen und Götter“ (Tetralogie: Mythos, Eckhart, Luther, Hellweg) wurde im zweiten Weltkrieg vollendet und kam nie zur Aufführung.

Die zeitgenössischen Dramen „Die Brücke“, „Jagt ihn ein Mensch!“, „Das Gesetz in dir“, in denen die Verantwortung des Einzelnen im Wirken für seinen Daseinskreis dramatisch gestaltet wird, können heute immer noch als sehr modern gelten.

Für die Lyrik Kolbenheyers findet sich der Zugang nicht leicht, aber wenn man ihn hat, entfaltet sie auch hier dieselbe eigentümlich stark ergreifende Wirkung, wie die der gesamten Dichtung.

Zuletzt aktualisiert am Montag, den 16. April 2012 um 10:59 Uhr